Montag, 13. Juli 2015


De Rezension:
KAPUNKT schreibt:
Die Verlegerin Alma wird aus ihrem Lebensalltag herausgerissen. Eine Herz-OP sorgt dafür, dass sie in der Mitte ihres Lebens Bilanz zieht und mit ihrem Selbst und ihrem frustrierenden Alltag aufräumt: Ehemann, Job, Privatleben – alles wird auf den Prüfstand gebracht und in der Unzufriedenheit entlarvt. Sie findet ihre Conclusio: Jetzt ist Schluss mit nett. Sie will ein schlechter Mensch werden. Ein entsprechendes Manuskript hilft ihr auf diesem Weg.
In einem Chatroom findet sie Frauen in ähnlicher Situation: Marie, Sophie und Greta. Frustriert von ihren Jobs, ihrem Familien- und Eheleben findet ein „Klub der Teufelinnen“ zusammen. Fremde Frauen, verbunden durch ihre entfesselte Wut, die durch ihre Leidensgemeinschaft zu Seelenverwandten werden. Der Frauenklub entwickelt eine eigenständige Dynamik: Waren die Frauen um Alma zunächst „nur“ Vertraute, die sich gegenseitig im frustrierenden Alltag beistanden und ihre immense Wut teilten, weiten sie ihren Aktionsradius nach und nach aus und verstehen sich zunehmend als Rächerinnen der Frauen. Denn wer sind die Täter bei Gewalt, Vergewaltigungen und Mord? Meist Männer – die immer mehr ins Visier der Frauen geraten. Schon bald müssen sich die Männer im Dunstkreis der Frauen warm anziehen, denn eine Verfehlung und die Rache der Frauen kann fürchterlich sein.
Die Handlung der Rache gipfelt im kaltblütig geplanten Mord am „Afghanen“. In dieser Zuspitzung wird eine Klimax der Gegenüberstellung zweiter Systeme deutlich: Auf der einen Seite steht hier die Absolutheit der männlichen Gewalt gegenüber Frauen, der auf der anderen Seite mit der kaltblütigsten der weiblichen Rache begegnet wird. Der Höhepunkt der Rache ist erreicht, die (mit Dürrenmatt gesprochen) schlimmst mögliche Wendung … Oder? Was kann nun noch kommen?
Doch wo die Rache aufhört, fängt das Netz der Spinne erst an. Und die hat einen eiskalten Plan geschmiedet.
Astrid Korten gelingt ein gewohnt erstklassiger Thriller – ohne Blutvergießen, dafür mit umso mehr Kalkül. Sorgfältige Recherche führte dazu, dass es sich nicht nur um spannende Unterhaltung handelt, sondern vor allem auch um ein Psychogramm der Frauen als Rächerinnen. Denn Frauen rächen ganz anders an Männer und können extrem grausam sein – auch ohne Blutorgien. Warum Frauen zu Mörderinnen werden, welche gruppendynamischen Prozesse für das Fortschreiten sorgen, wo die Motive hinführen und welcher Methoden sich Mörderinnen bedienen, wird im Thriller hervorragend herausgearbeitet. Das Genderthema ist eines der bestimmenden in der ganzen Handlung, was den Thriller zu einer Studie über die Psychologie des Weiblichen macht. Die Töchter der Eva funktionieren in ihrer Psychologie anders als ihre männlichen Pendants, was sie für die Psychologie des Thrillers und Kriminalromans so interessant machen. Dieser neue Blick ist es, was den „Eiskalten Plan“ so erschreckend lesenswert macht. Man lernt, dass man Frauen lieber nicht zum Äußersten treiben sollte …
Erzähltechnisch hat sich Astrid Korten wieder einmal selbst übertroffen. Sie nimmt den Leser mit auf eine fesselnde Reise zu den Abgründen des Menschlichen. Zunächst bleibt die Handlung auf ihrer eigenen, stringenten Schiene, bevor komplett unvorhersehbare Wendungen erst das offenbaren, was eine Täterin wirklich fertigbringt, wo Mord bei Weitem nicht das Schlimmste ist. Ein klassisches „Whodunnit“ braucht der Thriller nicht. Nicht das „Wer“ ist entscheidend, sondern das „Wie“ und „Warum“ – obwohl sich hier eine Überraschung bereithält. Aber es soll nicht zu viel verraten werden. Nur so viel: Wie in einem Kaleidoskop fügen sich die Steinchen zusammen und ergeben am Schluss ein ganz neues Muster, das man anfangs nicht zu ahnen vermochte. Es wird alles einen grausamen Sinn ergeben.
Aber wie man es von Astrid Kortens Thrillern gewohnt ist, hört die Brisanz der Handlung nicht mit dem Showdown auf. Vielmehr werden philosophische Fragen berührt, die nicht nur den Kriminalroman seit jeher beschäftigen. Was darf man im Namen des Guten tun? Wann heiligt der Zweck die Mittel – sofern er sie überhaupt heiligt? Wie weit ist man seinen Verbündeten verpflichtet? Und nicht zuletzt: Was bedeutet Freundschaft eigentlich? Diese Fragen sind es, die zwischen den Zeilen behutsam, aber deutlich behandelt werden und eine nachdenkliche Leserin (und einen nachdenklichen Leser) zurücklassen.
Am Ende ist nichts mehr so, wie es mal war. Auch bei der Leserin nicht.

Ein Fünf-Sterne-Thriller der Extraklasse, der mit nichts vergleichbar ist, was der übliche Markt dem Leser bereitstellt! Liebe Astrid Korten, bitte mehr davon

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